Wissenswertes 116 3. November 2008
Sehr wissenswert, meine ich:
von Walter K. Eichelburg
Wen erwischt es zuerst?
Mit den riesigen Rettungspaketen überall für die Finanzbranche geht die Finanzkrise in eine Staatskrise über. Fortlaufend „fallen“ jetzt Staaten, die ihre Banken gerettet haben: Argentinien, Island, Ungarn, Ukraine, Weißrussland, usw. Sogar Russland ist vom Bankrott bedroht. Inzwischen musste selbst die Währung eines westlichen EU-Kernstaats – Dänemarks – von der EZB mit 12 Milliarden Euro gestützt werden.
Ungarn ist ein geradezu klassisches Beispiel: Ein überschuldeter Staat mit überschuldeter Bevölkerung, großenteils in Fremdwährung; vor zwei Wochen ist eine Auktion von Staatsanleihen schiefgegangen, jetzt Abverkauf; Flucht aus der Währung Forint, diese stürzt ab; Dollars, Euros oder Franken sind im Land kaum mehr zu bekommen; dann rettende Milliarden von der EZB; jetzt ist der internationale Währungsfond am Werk.
Alle Bankenrettungen durch den Staat schlagen irgendwann auf die Staatsanleihen und die Währungen durch. Beide werden dann abverkauft. Wenn nicht schnelle Hilfe von außen kommt, ist dann der Staatsbankrott da.
Im britischen „Telegraph“ spekuliert Ambrose Evans-Pritchard sogar schon über eine Kapitalflucht aus Österreich, schließlich haben dessen Banken mit 85 Prozent des Bruttosozialprodukts die höchste „Exposure“ in „Emerging Markets“, hier speziell in Osteuropa. Und Osteuropa befindet sich gerade im Schuldenkollaps – mitgefangen, mitgehangen…
Kein Wunder, dass Österreich mit 100 Milliarden Euro eine der höchsten Garantien für die Banken überhaupt abgegeben hat. Und dann wird alles gerettet, sogar die „Millionärsbank“ Constanzia. Falls diese Garantien aber nur in halber Höhe gezogen werden, ist die Republik Österreich bankrott.
Genauso wird es der Schweiz mit der Rettung der UBS gehen – die Bank ist für das Land zu groß: „too big to bail“. Und auch das deutsche „Rettungspaket“ mit 500 Milliarden Euro wird die Bundesrepublik umbringen, wenn es gebraucht wird. Zudem kann eine deutsche Großbank diese Summe bei einem Derivatenunfall bereits allein verbrauchen…
Es ist durchaus möglich, dass der erste Staatsbankrott in der Euro-Zone nicht im „schwachen, lateinischen Unterleib“ der Zone stattfindet, sondern in der angeblich so sicheren „teutonischen Zone“. Ein Blick auf den Euro/Dollar-Kurs sollte ernüchtern: Der Euro ist innerhalb weniger Monate von 1.60 US-Dollar auf 1.25 Dollar gefallen, obwohl der Dollar selbst immer mieser wird. Nicht einmal das „Unwinding“ verschiedener Kredit-Spekulationen durch russische Oligarchen und Hedge-Fonds kann diesen scheinbaren Dollar-Höhenflug allein erklären. Es ist also eine Flucht aus dem Euro, die gerade stattfindet.
Letzte, desperate Goldpreis-Drückung
Normalerweise müsste bei einer solchen Konstellation der Goldpreis in die Höhe schießen. Das tut er aber nicht, da er mit allen Mitteln von den Zentralbanken gedrückt wird. Denn wenn der Goldpreis abfährt, krachen alle Währungen und Staaten gemeinsam zusammen.
Obwohl es am Retail-Markt kaum mehr Gold und Silber zu kaufen gibt, gelingt die Preisdrückung noch immer. Offenbar werden inzwischen die letzten Reste aus den Zentralbank-Kellern gekehrt. Laut verschiedenen Berichten kommen jetzt alte, rissige Goldbarren mit niedriger Reinheit auf den Markt. Die letzten Reste also. Wenn diese auch weg sind, verpufft das System. Dann kommt der General-Staatsbankrott.
Information
Die aktuellen Marktkommentare von Walter K. Eichelburg erscheinen zweiwöchentlich im Rohstoff-Spiegel und auf ef-online. Eichelburg ist Consultant und Investor in Wien. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit Investment- und Geldfragen. Er kann unter walter@eichelburg.com erreicht werden. Er betreibt die Gold-Website Hartgeld. Dieser Artikel ist als völlig unverbindliche Information anzusehen und keinerlei Anlageempfehlung. Jegliche Haftung irgendwelcher Art für den Inhalt oder daraus abgeleiteter Aktionen der Leser wird ausdrücklich und vollständig ausgeschlossen.
01. November 2008
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nick, am 01. November 2008 um 8:19 ( Link )
In dem Artikel wurde nicht erwähnt, dass auch die Medien einen großen Anteil daran haben, eine Stimmung zu erzeugen, die ein "Fallen von Staaten", auf jeden Fall einzelner Banken unterstützt. Die Märkte bestehen zu einem beachtlichen Teil aus Psychologie. Auf der Kippe stehende Kandidaten benötigen alles Andere als solche Behauptungen. Zumindest hätte ich ein "?" in der Überschrift verwendet. Ich gebe zu 2 "?" untereinander schauen auch nicht gut aus ;-)
Gewiss, die Gefahren sehe ich auch, aber die Begründungen kann ich nicht ganz nachvollziehen, z.B. die der Dollarstärke. Der Grennback steigt gegenüber dem Euro auch, weil Amerika im Ausland geparktes Geld in der Kriese dringend zu Hause benötigt. Es gibt auch andere Meinungen, dass man Amerika in Sachen Rezessionsbewältigung mehr zutraut als Europa. Aber das sagt nur eines, nämlich die vorübergehende Dollarstärke bis zur Bewältigung der Probleme, danach dürfte der Euro wieder zulegen.
Also, aufgrund der Gefahren bitte nicht den Weltuntergang an die Wand malen. Es ist vollkommen klar, dass die Schutzschirme nicht reichen, um alle Probleme abzudecken.
Nur weil eine KFZ-Versicherung Pflicht ist, kommt auch niemand auf den Gedanken, dass bei einem Total-Crash aller Versicherten die Versicherungen nicht in der Lage wären, alle Schäden zu begleichen.
Es "menschelt" darum sehr, wenn man den jeweiligen guten oder schlechten Ereignissen hinterherläuft und die tatsächlichen Probleme durch "Hochrechnungen" übertreibt.
Staatsbankrotte gab's in der Vergangenheit bereits, z.B. das erwähnte Argentinien. Heute ist das Land wieder klamm, auch Rußland hat sich wieder gefangen und hätte nur ein ernsthaftes Problem, wenn der Ölpreis dauerhaft niedrig bleiben würde. Im Ernst, wer geht davon aus?